"Aktion Friktion" eine Performance von Bianca Voß und Cornelius Grau
im Rahmen der Wuppertaler Performance Nacht 2013, aufgeführt im Atelier Barczat, Wuppertal.
Das Dröhnen eines tief über uns hinwegfliegenden Flugzeugs, der Aufmarsch von Panzern, die scheinbar spielerische Verfolgung mit unverhältnismäßigen Mitteln im Comic, kurz: die martialische Geste. Zeichen der Gewalt. Zeichen der Gewalt? Wieso Gewalt? So ist das Leben! Und es lebt sich gut in einer Gesellschaft, der es gelingt, die Geste der Gewalt zum Markenzeichen zu erheben. Natürlich nicht offensichtlich: Sie kommt geschickt daher, verpackt im Design der Oberklasse, hinter der Lüge vom Mindestlohn, verdeckt vom Schwachsinn der öffentlichen Unterhaltungs-Verdummung.
Wer nimmt sie denn noch wahr, die ganz alltägliche Gewalt in einer Gesellschaft, der es längst gelungen ist, Unrecht euphemistisch zu schönen.
Wer nimmt denn die Widersprüche noch wahr? Nicht dass es sie nicht geben sollte, denn Leben ohne Widersprüche ist Illusion und Täuschung. Nur aus Widersprüchen können Lösungen entstehen.
Doch dafür müssen sie bewusst sein.
Müssen bewusst werden.
Müssen notfalls bewusst gemacht werden.
Genau darauf zielte die Performance von Bianca Voß und Cornelius Grau.
Zeichen der Gewalt, projiziert auf einen Körper. Auf zufällig anwesende Körper von zufällig anwesenden Zuschauern.
Wie muss man sich das vorstellen? Die Situation: Eine Massagepraxis. Ein Zuschauer in der Rolle des Patienten liegt bäuchlings auf der Massageliege, bedeckt mit einem weißen Tuch, und wird andeutungsweise massiert. Das Ganze wird von oben mit einer Videokamera aufgenommen. Die geschickte Technik projiziert nun diese Massage auf eine Leinwand, auf die sich ein zweites Bild legt, eben die Bilder von Zeichen der Gewalt.
Wer nicht schon in der Rolle des Zuschauers diesen Widerspruch, diese Friktion im doppelten Sinne, erlebte – die wohltuenden Streichbewegungen der massierenden Hände und gleichzeitig die Brutalität der zerhackenden Messer auf eben diesem Rücken, der über ihn hinweg rollenden Panzerketten – der konnte selber die Gelegenheit wahrnehmen, sich als Patient zur Verfügung zu stellen, um diesen Widerspruch am eigenen Leibe zu empfinden. So geschah es dem Rezensenten: Es entstand ein fast schmerzlicher Widerspruch zwischen dem öffentlichen Ausgeliefertsein und der Zuwendung der massierenden Hände. Warum lässt du das zu? geht es ihm durch den Kopf. Warum setzt du dich nicht dem Opium der Beruhigungspraktiken zur Wehr? Damit du noch mehr aushalten kannst? Damit deine Haut noch mehr zu Markte getragen wird?
Und doch tut die Zuwendung gut. Der Rezensent bäumt sich als Patient nicht auf. Rechtzeitig fand die Ablösung statt. Die Erlösung. Ein weiterer Zuschauer konnte diese hautnahe Erfahrung eines Widerspruchs machen.
Widersprüche müssen erfahrbar bleiben, um Lösungen zu finden. Diese intelligente Performance von Bianca Voß und Cornelius Grau leistete dazu eine bildreiche Anschauung – und eine eindrückliche Erfahrung.
Wolfgang Waldmann
Düsseldorf, den 11.10.2013